Offener Brief an den Bürgermeister Olaf Scholz

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Scholz,

seit 2011 kämpfen wir, die Mieterinitiative “Rettet-Elisa!”, um den Erhalt des Backstein-Ensembles Elisa am Elisabethgehölz in Hamburg-Hamm.
Als engagierte Bürger dieser Stadt sehen wir uns nun gezwungen, den Weg eines offenen Briefes zu gehen. Grund dafür ist Ihre ablehnende Haltung bei persönlicher Ansprache auf Wahlveranstaltungen der letzten Wochen und die nicht angewendeten Denkmalkriterien durch das Denkmalschutzamt.

In Ihrem Wahlprogram steht: “Eine lebendige Bürgergesellschaft kann und soll staatliches Handeln kontrollieren, korrigieren, anspornen, entlasten und ergänzen”, sowie: “In der Bürgergesellschaft übernehmen Menschen aus eigenem Antrieb Verantwortung für andere, wirken im Sinne des Gemeinwohls.”

Wir, die Mieterinitiative “Rettet-Elisa!”, tun dies seit Jahren, aber die Hamburger SPD bzw. der Senat reagiert nicht. Seit 2011 weisen wir auf die besondere Bedeutung des Wohnhauses Elisa am Elisabethgehölz hin:

  • Als stadtbildprägendes Backstein-Ensemble aus der Schumacher-Zeit.
  • Als Repräsentant des genossenschaftlichen und sozialdemokratischen Bauens der 1920er /30er Jahre.
  • Als Zeitzeuge der Geschichte, mit der über den Krieg komplett erhaltenen Erkerfassade am Elisabethgehölz sowie der Wiederaufbauleistung durch denselben Architekten in Anpassung an die nach dem Krieg herrschende Wohnungsnot.
  • Als denkmalwürdiges Gebäude im Hamburger Osten, der im Krieg massiv zerstört wurde und damit die wenigen erhaltenen Gebäude umso bedeutender für die Geschichte dieser Stadtteile sind, zumal der Denkmalschutz im Hamburger Osten ohnehin unterrepräsentiert ist.
  • Und nicht zuletzt als unverzichtbarer Teil des Backstein-Erbes Hamburg, zu dessen Schutz Sie, Herr Bürgermeister Scholz, angetreten sind.

Der Erhalt dieses Backstein-Wohnhauses liegt im Interesse des Hamburger Gemeinwohls. Gerade diese Bauten prägen den Charakter unserer Backstein-Quartiere. Elisa ist das “Gesicht” des Elisabethgehölzes. Das Fassadenelement Runderker war vor dem Krieg in unserem Viertel vielfach vorhanden, ist jetzt aber nur noch vereinzelt übrig und nur komplett erhalten bei diesem Gebäude.

Seit Jahren setzen sich die Hamburger Denkmalinstitutionen für den Erhalt des Backstein-Erbes ein. Die SPD selbst hat einen entsprechenden Antrag im Frühjahr 2014 in die Bürgerschaft eingebracht. Inzwischen fordern so gut wie alle Hamburger Denkmal-Institutionen den Erhalt Elisas, fachkundlich begründet. Der Denkmalgutachter Dr. Geerd Dahms stellte fest, Elisa sei ein Denkmal.
Das Denkmalschutzamt jedoch ignoriert diese anzuwendenden Kriterien und sämtliche fachliche Stellungnahmen. Sie, Herr Bürgermeister Scholz, können jedoch Weisungen erteilen und den Erhalt dieses Teils des Backstein-Erbes veranlassen!

Im Herbst 2014 wurde aufgrund der großen Öffentlichkeit die Möglichkeit des Erhalts in einem Gespräch mit der Eigentümerin, dem Denkmalschutzamt, der Senatorin und dem Denkmalrat erläutert. Die Akteneinsicht zeigte jedoch, zugrundeliegende Informationen waren lediglich die der Eigentümerin, die den Erhalt ablehnte und die zudem – nachweislich – Falschangaben bzgl. der Gutachtenergebnisse zu den Sanierungskosten machte (Sanierungskosten seien höher als die eines Neubaus). Daraus wurde abgeleitet, ein Erhalt sei nicht möglich. Die Originalgutachten (Dittert&Reumschüssel 2012) lagen nicht vor.
Das Denkmalschutzamt bekundetet vielmehr, gegen den Willen des Eigentümers nicht tätig werden zu wollen.- Damit stellt es sich selbst und den Hamburger Denkmalschutz an sich in Frage. Was dann auch im Zuge der Fragen um die Cityhochhäuser zu der kontroversen Diskussion der Denkmalschutzpolitik in der Öffentlichkeit führte.
Auf der Veranstaltung “Wie hält die Politik es mit dem Denkmalschutz” in der Patriotischen Gesellschaft am 12.1.15 war Elisa das zentrale Thema des Abends. Es herrschte ein allgemeines Unverständnis, warum dieses Gebäude nicht erhalten werden soll und die politischen Entscheider untätig bleiben.

Wie wir zudem dank des Transparenzgesetzes in der Akte nachlesen konnten, hat es seit 1979 keine Neubewertung des Gebäudes gegeben, entgegen verschiedener Aussagen. Die jetzige Situation ist also lediglich einer Zweckentfremdungsgenehmigung durch die Verwaltung 2011 verursacht, die damals sogar an den bezirklichen politischen Stellen vorbei erteilt wurde. Trotz dieses “Fehlers” hätte die Politik eine politische Lösung erwirken können und kann es noch!

Im Fall Elisa ist die Denkmalwürdigkeit in den Fachkreisen eindeutig bestätigt.
Unsere Eingabe in die Bürgerschaft wurde als nicht abhilfefähig beschieden – und verweist als Lösung auf eine politische Entscheidung. Was uns verwunderte, da die Bürgerschaft doch der Ort dafür ist!
Auch an dieser Stelle übrigens ignorierte das Denkmalschutzamt in seiner Stellungnahme die anzuwendenden Denkmalkriterien und unterschlug sogar im Zitat des Denkmalschutzgesetzes den Aspekt des stadtbildprägenden Gebäudes.

Herr Bürgermeister Scholz, wir halten es für unsäglich, dass der Senat einerseits den Hamburger Bürgern verspricht, die identitätsstiftende Backsteinarchitektur zu erhalten und der baukulturellen Geschichte unserer Stadt Respekt zu zollen – die Umsetzung dieser Ziele in der Praxis jedoch verhindert.

Wir fordern Sie auf, den Erhalt Elisas durch die Erteilung des Denkmalschutzes zu ermöglichen, und so mit einer vorbildhaften Tat die angekündigte Entwicklung des Hamburger Ostens (Stromaufwärts an Elbe und Bille) zu beginnen. Und eben nicht mit einem Abriss eines Stücks der Geschichte des Hamburger Ostens.

Desweiteren verspricht die SPD in Ihrem Wahlprogramm “Die Bewahrung und Stärkung bewohnter Innenstädte gelingt nur, wenn es dort auch genügend bezahlbaren Wohnraum gibt.”
In dem Haus Elisa sind 122 oftmals kleine, bezahlbare, und damit angesichts der aktuellen wie künftigen Wohnungsnot und Altersarmut erhaltenswerte Wohnungen vorhanden. Die Eigentümerin will einen Ersatzneubau mit nur 101 größeren Wohnungen schaffen.

Herr Bürgermeister Scholz, auch Sie wissen, dass es sich hier nicht um ein Plus von 101 Neubauwohnungen handelt, sondern real um den Verlust von 21 Wohnungen.
Bei einem Neubau sind die Wohnungen dem Wohnungsmarkt länger entzogen als bei einer Sanierung. Außerdem bedeutet die Förderung des Ersatzneubaus eine Zweckentfremdung von Fördergeldern, also Steuergeldern, weil kein zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird! Diese Gelder stehen also tatsächlich zusätzlichen Wohnungbau nicht mehr zur Verfügung. Das ist kann weder im Interesse des Senats sein und ist erst recht nicht im Interesse der Hamburger Bürger.

Auch ist ein Abriss und Neubau – hier unnötig, denn das Gebäude ist nachweislich wirtschaftlich sanierbar – inakzeptabel bezüglich seiner Klimabilanz sowie in Hinblick auf Hamburgs Beitrag zu den Klimazielen der Bundesregierung.

Das Festhalten der Eigentümerin an den Abriss- und Neubauplänen beruht bekanntermaßen auf rein monetären Überlegungen, da Neubauten um ein vielfaches höher gefördert werden als Sanierungen.
Unbegreiflicherweise will die Eigentümerin mit dem schönsten und bedeutensten Gebäude ihres Bestandes beginnen. Andere Häuser des Bestandes könnten dagegen nachvollziehbar erneuert werden.
Aber, sollte der Abriss Elisas stattfinden, so wissen Sie, wird Abriss Schule machen! Aufgrund des erstinstanzlichen Urteils im Fall Elisa können sich die Hamburger Bürger, die Mieter einer Wohnung in einem Nachkriegsbau sind, ihrer Mieterrechte nicht mehr sicher sein. Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen hat bereits seine Mitglieder auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, dass Genossenschaften u. U. sogar erfolgreich Verwertungskündigungen ohne Nachweis wirtschaftlicher Sachzwänge aussprechen können. Damit ist die Instandhaltungspflicht des Eigentümers ausgehöhlt. Elisa ist Präzedenzfall und wir möchten nicht ausschließen, dass damit auf lange Sicht der soziale Frieden in Hamburg gestört wird!

Herr Bürgermeister Scholz, Sie wissen, dass der Konflikt um den Erhalt leicht zu lösen wäre, denn es wurden bereits Vorschläge gemacht:
Eine andere Genossenschaft könnte das Backstein-Ensemble kaufen und mit Unterstützung durch die Hamburger Denkmalinstituionen als auch Stiftungen sanieren und betreiben. So z.B. die neugegründete Genossenschaft Elisa e.G.. Der Status Denkmalschutz öffnete zudem den Zugang zu vielfacher weiterer Unterstützung und Fördertöpfen.

Mit dem Erhalt Elisas würde genossenschaftliches Bürgerengagement in Hamburg gestärkt, ganz im Sinne der sozialdemokratischen Tradition. Ein für Hamm wichtiger Teil des Backstein-Erbes bliebe erhalten, zudem ein Mehr an Wohnungen in dem Segment des Wohnungsmarktes, wo es am dringensten benötigt wird.

Mit der Unterstützung

  • so gut wie aller renommierten Hamburger Denkmalinstitutionen (Denkmalrat, Gustav-Oelsner-Gesellschaft, Denkmalverein Hamburg, Fritz-Schumacher-Gesellschaft, Hamburgische Architektenkammer, die 21 Hamburger Geschichtswerkstätten),
  • des Denkmalgutachters Geerd Dahms,
  • des Oberbaudirektors Jörn Walter,
  • mehr als 7000 Bürgervotings und damit dem 1. Platz bei der Stadtwerkstatt “Hamburgs beliebteste Häuser”,
    dreimaliger Mehrheiten für den Erhalt in der (nun ehem.) Bewohnerschaft, rund 1500 Unterschriften auf der Unterzeichnerliste unter www.elisa-bleibt.de in den letzten 3 Wochen,

fordern wir Sie auf:

Handeln Sie, erhalten Sie das Backstein-Ensemble Elisa!
Verhindern Sie die unnötige Zerstörung eines wichtigen Teils des Hamburger Backstein-Erbes sowie die Vernichtung von Wohnraum,
machen Sie durch die Erteilung des Denkmalschutzes sowie Heranziehen der engagierten Unterstützer einen Erhalt Elisas möglich.
Setzen Sie damit Ihre eigenen politischen Ziele um!

Die Mieterinitiative “Rettet-Elisa!” 10. Februar 2015

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